Logo der Universität Wien

Projektbeschreibung


Neuere Forschungen zur Wirtschaftsgeschichte des mittelalterlichen und frühneuzeitlichen Europa konzentrierten sich auf Einflüsse durch die zunehmende Kommerzialisierung und Integration von Produkt- und Faktormärkten. Ihre Ergebnisse hinterfragen traditionelle malthusianisch-ricardianische Zugänge, die vorindustriellen europäischen Gesellschaften mangelnde wirtschaftliche und soziale Dynamik unterstellten. Demgegenüber unterstreichen Kommerzialisierungstheorien die Bedeutung von Marktintegration für das Wirtschaftswachstum und den sozialen und gesellschaftlichen Wandel. Vor diesem Hintergrund wandten sich jüngste Forschungen v. a. der Etablierung von Bodenmärkten im spätmittelalterlichen Westeuropa zu. Ausgehend von deren theoretischen und methodischen Impulsen erarbeitet das vorliegende Projekt eine empirische Fallstudie zur Entwicklung von Bodenmärkten im spätmittelalterlichen Mitteleuropa mittels eines Vergleichs zwischen ausgewählten ostösterreichischen und norditalienischen Regionen. Das Projekt widmet sich (i) den institutionellen Rahmenbedingungen von Bodenmärkten in ländlichen Gesellschaften, (ii) den Mustern ländlichen Besitztransfers und damit der Entwicklung von Bodenmärkten für untertäniges Land und (iii) dem daraus resultierenden sozialen Wandel in spätmittelalterlichen ländlichen Gesellschaften im Zeitraum zwischen ca. 1400 und 1550. Der Vergleich beruht auf der Analyse zweier österreichischer Regionen traditioneller gemischter bzw. stärker bergbäuerlich geprägter Landwirtschaft sowie einer italienischen Getreide- und Weinbauregion. Die Quellengrundlage besteht aus grundherrlichen Besitztransferregistern, Kaufrechtsurkunden, notariellen Verträgen sowie Querschnittsdaten (Urbare, Steuerschätzungen), die Informationen zu ländlichen Sozial- und Wirtschaftsstrukturen, Bodenbesitz und Hofinventaren enthalten, außerdem aus normativen Quellen wie Weistümern und Statutensammlungen. Die Teilprojekte werden sich vordringlich mit einer quantitativen Auswertung von Besitztransferregistern beschäftigen, die Rückschlüsse auf die Häufigkeit und Typen von Landtransfers sowie auf die beteiligten Individuen erlaubt. In den Besitztransferverträgen mitunter enthaltene genauere Informationen bilden die Grundlage für eine weiter führende qualitative Auswertung, die auch eine Einschätzung der Einflüsse formeller und informeller Institutionen auf das Verhalten von Haushalten in Bezug auf Bodentransaktionen und Besitztransfers gestatten. Selten verfügbare aber umso wertvollere Quellen zu Besitz- (etwa in Fällen von Verschuldung oder der Erbregelung für minderjährige Erben) und Steuerinventaren werden vereinzelt Schlussfolgerungen zur Faktorausstattung und zu Faktorpreisen ermöglichen. Die Kombination quantitativer und qualitativer Zugänge ist für die Analyse auf Haushalts- und Familienebene entscheidend und garantiert den akteurszentrierten Zugriff, der das Projekt kennzeichnet. Die vergleichende Analyse ausgewählter österreichischer und norditalienischer Regionen wird genauere Rückschlüsse auf jene wirtschaftlichen, sozialen und institutionellen Faktoren erlauben, die für die Entwicklung flexibler Bodenmärkte grundsätzlich von Bedeutung waren oder sonst förderlich bzw. hinderlich wirkten. Die Ergebnisse des Forschungsprojekts leisten durch die Hervorhebung von regionalen Gemeinsamkeiten und Unterschieden einen wertvollen Beitrag zum besseren Verständnis spätmittelalterlicher und frühneuzeitlicher Bodenmärkte in ländlichen Gesellschaften Europas.

→ Ausführliche Projektbeschreibung (PDF)

 

Finanzierung


Das Forschungsprojekt "Busy Tenants" ist am Institut für Wirtschafts- und Sozialgeschichte der Universität Wien angesiedelt und wird gefördert durch den Fonds zur Förderung der Wissenschaftlichen Forschung FWF.

→ FWF Projekt P 26071

 

 

Busy Tenants
Institut für Wirtschafts- und Sozialgeschichte
Universität Wien

Universitätsring 1
A-1010 Wien

Büro:
Maria-Theresien-Straße 9/4
A-1090 Wien

Universität Wien | Universitätsring 1 | 1010 Wien | T +43-1-4277-0